Skip to main content

Meine Kritik an LiquidFeedback

Seit Anfang des letzten Semesters denke ich viel über die Liquid Democracy Software LiquidFeeback (LQFB) nach. Dabei fallen mir immer mehr Kritikpunkte auf und ich werde damit immer unzufriedener. Ein paar dieser Kritikpunkte möchte ich hier in diesem Blogpost darlegen.

Aber zuvor etwas zu mir, damit der geneigte Leser nicht glauben muss, dass ich totaler “LiquidFeedback Hater” bin. Denn eigentlich mag ich das Konzept und den allgemeinen Aufbau der Software. Ich hörte das erste mal von LQFB als es in Berlin zum Test eingesetzt wurde. Ich las und sah Präsentationen dazu. Schon bevor ich das System das erste mal testete, wusste ich Bescheid, wie es funktionierte und man es bediente. Daher war ich auch sehr begeistert als es bei den PIRATEN in Sachsen-Anhalt eingeführt wurde - damals noch von den Berliner PIRATEN betrieben. Auch wenn ich es nicht administrierte und auch nicht für die Ausgabe der Invite Codes zuständig war, besaß ich doch den Benutzeraccount mit der ID 1. Am Ende des Jahres 2011 wurde ich als Beisitzer in den Landesvorstand von Sachsen-Anhalt gewählt und war nun auch für LQFB zuständig. Leider wurde es so gut wie nicht mehr benutzt. Accounts von ausgetretenen Mitgliedern konnten auch nicht gesperrt werden, weil der damalige Generalsekretär nicht notiert hatte, wem er welchen Code gegeben hatte. Daher musste es neu aufgesetzt werden. Leider dauerte das viel zu lange, weil die Berliner Piraten inklusive des LQFB Zuständigen gerade in den Landtag eingezogen waren. Da machte ich mich über die Einrichtung schlau und setzte LiquidFeedback auf dem Server des Landesverbands auf. Seit dem bin ich für die Administration und Invite Code Vergabe zuständig. Und ich verfechte das System immer noch.

Nun aber zu den Kritikpunkten:

Was mich am meisten stört, ist die Usability, also die Benutzbarkeit, des Systems. Welche Software ist bitteschön gut, wenn man dazu eine halbstündige Schulung braucht? Ich erlebe es derzeit bei Computerspielen, die ein schlechtes Tutorial haben: Das macht echt nicht Spaß. Bei Gesprächen mit anderen Piraten habe ich beide Extreme kennengelernt: Jemand, der ohne Schulung überhaupt nicht klar kam und jemand, der durch ein kleines bisschen Anlesen das System intuitiv fand. Gerade erstere erlebe ich aber viel mehr. Verstehen kann ich es. Man loggt sich das erste mal ein und man findet eine Liste von Themenbereichen vor. Oben gibt es ein Hilfetext, der aber auch nur die Reiter erklärt. Dort steht nicht, wie man am besten die ersten Schritte macht. Gut, auf den anderen Seiten sind die Hilfetexte hilfreicher. Und so etwas soll für eine verbindliche SMV genutzt werden? (trotzdem würde ich für eine SMV mit LQFB stimmen). Aber auch wenn sich der Benutzer eingearbeitet hat, dann weiß er oft nicht, was beispielsweise “Interesse anmelden” bedeutet bzw wie man es einsetzt. Dass Gegeninitiativen kontraproduktiv sind, wenn das Thema noch in der Neu-Phase ist, weiß der Nutzer erst, wenn man ihm das sagt. Viele Benutzer haben auch noch nicht das Konzept der Anregungen verstanden und benutzen es oft als Feld für Kontraargumente. Abgesehen von den “Powerusern” benutzt kaum jemand Formatierung, weil es keinen vernünftigen Editor gibt. Man sieht sehr schlecht, welche Anträge noch nicht bearbeitet sind (also die man noch nicht unterstützt hat etc) - höchstens auf Initiativen, die man unterstützt hat und von dem Initiator bearbeitet wurden sowie die in Abstimmung sind, wird hingewiesen. Die Benachrichtigungsfunktion per E-Mail ist sehr grob und eigentlich ein Witz. Entweder hat man es so eingestellt, dass man fast zu jeder Änderung eine E-Mail erhält oder erst dann, wenn es eine Abstimmung gibt. Delegationen anlegen sind kompliziert - hier muss man erst das Mitglied suchen und zu den Kontakten hinzufügen, um auf diesen delegieren zu können. Es gibt sicher noch eine Menge Dinge, die man hier verbessern müsste.

Änderungsvorschlag: Generell würde ich versuchen das ein wenig zu vereinfachen und das Interface übersichtlicher gestalten (da war Version 1 übersichtlicher). Hier sollten die Themenbereiche evtl. weiter in den Hintergrund treten und dafür der aktuelle Status kenntlicher gemacht werden. Als erste Seite sollte deshalb eher eine Timline wie bei Facebook angezeigt werden. Dann müsste ein Tutorial erstellt werden, welches in 10-15min zeigt, wie man LiquidFeedback bedient. Und das nicht per Video oder langen Texten, sondern interaktiv wie man es bei Computerspielen macht. Das Interface sollte leicht erkennbar machen, welche Initiativen und Anregungen noch nicht bearbeitet wurden. Dies muss mit einem intelligenteren und fein einstellbaren Benachrichtigungssystem verknüpft werden. Die Erstellung von Initiativen muss vereinfacht werden (vernünftiger Editor, Klonen von Inititiven als Grundlage einer neuen Initiative, …).

Eigentlich wurde das System immer als Abstimmungssoftware beworben, bei der nicht moderiert werden soll - Diskussion soll dort nicht stattfinden. Nach mehr als drei Jahren Erfahrung finde ich den Ansatz nicht mehr richtig. LQFB ist viel mehr zu einem Tool geworden, welches zur Vorbereitung und Verbesserung von Anträgen dient. Meiner Meinung nach sollte gerade die Diskussion stärker eingebunden werden. Die Anregungen und die Verlinkung zu Diskussionsseiten greifen da viel zu kurz. Da finde ich den Ansatz von Pirate Feedback ganz gut: Dort wurden Pro- und Kontraargumente eingeführt. Ein Kommentarbereich bzw. Forum fände ich auch sehr sinnvoll, sodass Anregungen nicht mehr für Meinungen missbraucht werden würden.

Was mich als Admin sehr stört: Der Adminbereich ist ein Witz. Das meiste muss man direkt über die Datenbank selber machen. Die Trennung der einzelnen Schichten verstehe ich nach längeren Überlegen auch nicht so recht. Es gibt einmal den Core, der vor allem die Tabellen und Funktionen für die Datenbank enthält. Dann gibt es das in Lua geschriebene Frontend. Und zum Schluss noch eine für node.js entwickelte Software für die API, die (soweit ich sehe) nicht mehr weiterentwickelt wurde. Dann muss man noch Skripte bzw. Programme starten, damit Updates auf der Datenbank angestoßen bzw. E-Mail Benachrichtigungen herausgeschickt werden. Für ersteres muss man sich noch ein init Skript schreiben (ist in der Installationsanleitung enthalten) und für letzteres muss man mit “screen” arbeiten. Die Updateprozedur finde ich sehr umständlich. Um nichts falsch zu machen, habe ich mir das mal aufgeschrieben.

Ein wenig stört mich auch, dass die Entwickler ihre Definition von “Liquid Democracy” vorgeben. Auch wenn ich die Einstellungen/Vorgaben von LQFB am besten finde, finde ich es aber auch legitim andere Optionen wie die von Pirate Feedback zuzulassen (anderes Delegationssystem, anderes Abstimmungssystem etc).

So, und jetzt kommen wir auch noch zu einem größeren Problem: Ich weiß, dass jetzt sicher kommt, man könne doch bei der Verbesserung mithelfen. Jaaaa. Zum einen wird die Skriptingsprache Lua benutzt. Zum anderen möchten die Entwickler ein unterschriebenes CLA, um mitmachen zu können. Beides motiviert mich nicht gerade zum Mitprogrammieren. Pirate Feedback ist ja schon mal eine gute Richtung gegangen. Mich stört da aber, dass sie auch Konzepte wie z.B. die Delegation alternativlos umgeändert haben. Auch hier versuchen die Entwickler zu definieren, was das beste ist. Natürlich bleibt auch hier das Problem mit der Programmiersprache.

Ich bin schon länger am Überlegen, ob ich ein System nach meinen Vorstellungen programmieren soll. Es besteht hier aber die Gefahr, dass es nur ein “Yet Another Abstimmungstool” wird. Wenn ich das alleine angehe, dann wird mir wohl irgendwann die Motivation fehlen. Zumindest in diesem Semester habe ich mal vor, ein entsprechendes System zu konzeptionieren. Ob ich es auch irgendwann umsetzen werde, weiß ich noch nicht.